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Erich Seelig

Boxer

geboren am 15. Juli 1909 in Bromberg (Westpreußen) – gestorben am 19. Januar 1984 in Atlantic City (USA) 

  • Deutscher Meister im Mittelgewicht (seit 12. November 1931)
  • Deutscher Meister im Halbschwergewicht (seit 26. Februar 1933)

Erich, genannt Ete, Seelig steht Anfang der 1930er Jahre am Beginn einer großen Box-Karriere. Innerhalb von anderthalb Jahren hat sich der Berliner erst den Deutschen Meistertitel im Mittelgewicht und dann die Krone im Halbschwergewicht gesichert.

Seelig stammt aus der Provinz Posen (Westpreußen) und ist kurz nach dem Ersten Weltkrieg mit seiner Familie nach Berlin übergesiedelt. In der Großstadt wird er von seinem älteren Bruder Heinrich zum Boxen mitgenommen. In kurzer Zeit steigt Ete zur großen Nachwuchshoffnung der neu gegründeten Box-Abteilung von Tennis Borussia Berlin auf. Bereits im Alter von 14 Jahren feiert ihn die Vereinszeitung: „Er ist schnell, wie man dies noch nie bei einem deutschen Boxer seiner Klasse sah.“

1929, 1930 und 1931 gewinnt der junge Seelig mit der Box-Abteilung der „Veilchen“ dreimal in Folge die Berlin-Brandenburgische Meisterschaft. Mit gerade einmal 19 Jahren qualifiziert er sich 1929 für die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft, in der er nur knapp unterliegt.

Seelig fühlt sich damit reif für den nächsten Schritt seiner Karriere und wird Anfang 1931 Profi. Auch hier setzt er zunächst seine Bilderbuchkarriere fort: Nach acht Siegen in Serie gewinnt er im November 1931 im Berliner Zirkus Busch gegen Herbert Seifried die Deutsche Meisterschaft im Mittelgewicht. Nur 14 Monate später steigt er in Hamburg gegen den sechs Kilo schwereren Helmut Hartkopp in den Ring und sichert sich zusätzlich den Titel als Deutscher Meister im Halbschwergewicht. Die Sportpresse feiert ihn Anfang März 1933 als „Deutschlands jüngsten Meister“ und bescheinigt ihm eine „Meisterleistung“.

Unter normalen Umständen wäre all dies nur der Auftakt zu einer langen Erfolgskarriere im deutschen Boxsport. Doch nur wenige Wochen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten Anfang 1933 schließt der Verband Deutscher Faustkämpfer (VdF) als eine der ersten deutschen Sportorganisationen seine jüdischen Mitglieder aus. In den am 4. April 1933 veröffentlichten Beschlüssen wird Juden sogar das Betreten der Verbandsräume verboten. Vier Tage zuvor hat Seelig nach Morddrohungen gegen ihn seinen Kampf um die Titelverteidigung im Mittelgewicht absagen müssen. Am 11. April werden ihm beide Titel vom VdF aberkannt.

Erich Seelig erkennt, dass er in dieser Lage keine Chance auf die Fortsetzung seiner Karriere in Deutschland hat. Im Mai 1933 flüchtet er nach Paris, wo er gegen den amtierenden Weltmeister Marcel Thiel nur knapp verliert, sich jedoch seine weitere Flucht finanzieren kann. Über London und Kuba erreicht er 1935 die USA. 

In seiner neuen Heimat zeigt Seelig erneut sein großes Kämpferherz: Als Newcomer gewinnt er mehrere Kämpfe gegen renommierte Boxer und steigt in der inoffiziellen Rangliste des Ring Magazine bis auf Platz sechs auf. Außerdem engagiert sich Seelig mit anderen Sportlern für die Boykottbewegung gegen eine Teilnahme an den Olympischen Spielen 1936 in Berlin, die aber letztlich scheitert.

1940, im Jahr seines Karriereendes, heiratet Seelig seine Freundin Greta Meinstein, eine jüdische Leichtathletin, die aus Bayern geflohen ist. Beide ziehen nach Atlantic City, wo Seelig eine Boxschule eröffnet und damit seinem Sport bis zu seinem Tod im Jahr 1984 eng verbunden bleibt.

In Deutschland wird die Erinnerung an die Erfolge und die Verfolgung des einstigen Meisterboxers auch nach dem Ende der NS-Herrschaft lange verdrängt. So schreibt das 1956 in Essen veröffentlichte Welt-Sport-Lexikon über Erich Seelig: „Gab den Titel im März 1933 wegen Gewichtszunahme kampflos ab.“

Henry Wahlig