Alfred und Gustav Felix Flatow
Turner
Alfred Flatow:
geboren am 3. Oktober 1869 in Danzig – ermordet am 28. Dezember 1942 im KZ Theresienstadt
- Olympiasieger am Barren (Einzel) in Athen 1896
- Olympiasieger an Barren und Reck (jeweils mit der Mannschaft) in Athen 1896
- Zweiter Platz am Reck (Einzel) bei den Olympischen Spielen in Athen 1896
- Turnfestsieger 1898
Gustav Felix Flatow:
geboren am 7. Januar 1875 in Berent (Westpreußen) – ermordet am 29. Januar 1945 im KZ Theresienstadt
- Olympiasieger an Barren und Reck (jeweils mit der Mannschaft) in Athen 1896
Die Cousins Alfred und Gustav Felix Flatow gehören zu den ersten Olympiahelden der deutschen Sportgeschichte. Bei den ersten Olympischen Spielen der Neuzeit 1896 bleibt die Riege der deutschen Turner ohne Konkurrenz. Die Mannschaft gewinnt überlegen am Barren und siegt am Reck ohne Gegner. In den Einzelwettbewerben ruft man Alfred Flatow nach einer überragenden Barrenübung zum Sieger aus. Eine besondere Ehre wird den deutschen Turnern zuteil, als sie zu einem Diner mit der griechischen Königsfamilie eingeladen werden. Auch die beiden Flatows nehmen an dem dreistündigen Festessen teil, das in fünf Gängen serviert wird und bei dem neben dem König auch alle Prinzen zugegen sind. In der Heimat verschweigt die Deutsche Turnerschaft die Erfolge ihrer Athleten. Die nationalkonservative Verbandsführung lehnt die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen und den Olympischen Spielen strikt ab.
Alfred Flatow ist um die Jahrhundertwende einer der namhaftesten deutschen Turner. Bereits seit seinem achten Lebensjahr ist er Mitglied in einem Danziger Turnverein. 18-jährig kommt er nach Berlin und schließt sich sofort der Berliner Turnerschaft an. Für den mitgliederstärksten deutschen Turnverein erringt er seine größten Erfolge. Als besonderer Triumph gilt sein Sieg im Sechskampf beim Hamburger Turnfest 1898. Nach seiner aktiven Zeit übernimmt Alfred Flatow das Amt eines stellvertretenden Oberturnwarts und publiziert zahlreiche turnmethodische Schriften. Als er im Frühjahr 1933 nach 46-jähriger Mitgliedschaft aus seinem Verein ausgeschlossen wird, trifft ihn das schwer. Alfred Flatow bleibt trotz der wachsenden Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung in Berlin. Im Alter von 71 Jahren gerät er in die Maschinerie der „Endlösung“. Er wird 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert und dort ermordet.
Gustav Felix Flatow ist im Berliner Turner-Verein von 1850 organisiert, dem er bis zum Ende seiner aktiven Karriere 1904 angehört. Der Cousin von Alfred Flatow ist vielseitig interessiert: Er nimmt an Radrennen teil und besucht in den 1920er Jahren regelmäßig Boxkämpfe des jüdischen Boxklubs Maccabi, für den sein Sohn startet. Im Frühjahr 1933 flüchtet Gustav Felix Flatow nach Rotterdam. Hier ist der Kaufmann an einer Firma beteiligt, die sich auf die Herstellung von Kinderkleidung spezialisiert hat. Nach der Besetzung der Niederlande durch die Deutschen ist die Familie auch dort nicht mehr sicher und muss 1943 untertauchen. Sie werden verraten und wie Alfred nach Theresienstadt gebracht. Hier verhungert Gustav Felix Flatow 1945, nur wenige Wochen vor der Befreiung des Lagers.
Es dauert lange, bis sich die deutsche Turnerbewegung seiner ersten jüdischen Olympiasieger erinnert. Seit 1987 vergibt der Deutsche Turner-Bund die Flatow-Medaille zur „Mahnung und Erinnerung an die Verfolgung von Juden in der Deutschen Turnerschaft 1933 bis 1945“. Ein Jahr später benennt die Stadt Berlin die Reichssportfeldstraße am Olympiagelände in Flatowallee um. Vor den ehemaligen Wohnhäusern der Flatows und ihrer Familien in Berlin-Schöneberg und Berlin-Charlottenburg werden 2012 Stolpersteine verlegt.
Berno Bahro
Weiterführende Literatur
Bernett, Hajo: Alfred Flatow – Vom Olympiasieger zum Reichsfeind, in: Sozial- und Zeitgeschichte des Sports 1 (1987) 2, S. 94–102.
Steins, Gerd: Gustav Felix Flatow. Ein vergessener Olympiasieger, in: Sozial- und Zeitgeschichte des Sports 1 (1987) 2, S. 103–110.