Gottfried Fuchs
Fußballspieler
geboren am 3. Mai 1889 in Karlsruhe – gestorben am 25. Februar 1972 in Montreal (Kanada)
- sechsmal Fußballnationalspieler 1911–1913
- Deutscher Fußballmeister mit dem Karlsruher FV 1910
Sein Torrekord hat bis heute Bestand: Beim 16:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Russland während der Olympischen Spiele 1912 in Stockholm schießt Gottfried Fuchs zehn (10!) Tore. Er ist der erste deutsche Nationalspieler jüdischer Herkunft.
Geboren in Karlsruhe, beginnt Gottfried Fuchs seine fußballerische Laufbahn beim Düsseldorfer FC 1899, einem Vorgänger des heutigen Düsseldorfer SC. 1907 gewinnt er mit diesem Verein, in dem viele Engländer spielen, die Westdeutsche Meisterschaft. Nach seiner Rückkehr in seine Geburtsstadt schließt sich Fuchs dem Karlsruher FV an. Mit Fritz Förderer und Julius Hirsch bildet er dort das berühmte Innensturm-Trio. Als 21-Jähriger gewinnt er 1910 mit seiner Mannschaft die Süddeutsche und durch einen 1:0-Sieg über Holstein Kiel die Deutsche Meisterschaft. Es ist eine erfolgreiche Zeit: Regelmäßig wird Fuchs mit seiner Mannschaft Süddeutscher Meister. 1912 erringt er mit der süddeutschen Auswahlmannschaft, in die er zum ersten Mal im Oktober 1910 berufen wird, den Kronprinzenpokal.
Am 23. März 1911 wird Gottfried Fuchs in die deutsche Nationalmannschaft berufen. Als Debütant erzielt er beim 6:2-Sieg gegen die Schweiz zwei Treffer. Höhepunkt seiner Laufbahn ist die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm. Dort kommt es zu der Begegnung mit Russland und seinem legendären Torrekord. Am 23. November 1913 läuft er in Antwerpen im Spiel gegen Belgien das letzte Mal für die deutsche Nationalmannschaft auf, für die er insgesamt in sechs Länderspielen 14 Tore schießt und damit der statistisch gesehen erfolgreichste deutsche Nationalspieler aller Zeiten ist.
Im Ersten Weltkrieg dient Fuchs als Artillerieoffizier und wird mehrfach verwundet. Trotzdem schnürt er nach dem Krieg noch einmal seine Fußballschuhe für den KFV, beendet seine Karriere aber 1920.
Im Jahr 1928 verlässt Gottfried Fuchs mit seiner Familie Karlsruhe und zieht nach Berlin. Beruflich ist er im Holzhandel tätig und häufig im Ausland unterwegs. In Berlin ist er Mitglied im örtlichen Tennisverein Nikolaisee e. V., aus dem er spätestens im Jahr 1935 ausgeschlossen wird. Im Oktober desselben Jahres nimmt der Verein den sogenannten Arierparagrafen in seine Satzung auf. 1937 entschließt sich die Familie, Nazi-Deutschland zu verlassen. Sie findet Zuflucht in Frankreich. Die Vorfahren von Gottfried Fuchs stammen ursprünglich aus dem Elsass, mussten aber nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen. Aus diesem Grund wird er nun, im Jahr 1939, als „feindlicher Ausländer“ in Frankreich interniert. Als die deutschen Truppen bereits in Belgien einmarschieren, gelingt Fuchs zusammen mit seiner Familie die Flucht über Großbritannien nach Kanada. Hier nennt er sich Godfrey E. Fochs.
Für Sepp Herberger ist Gottfried Fuchs der „Franz Beckenbauer“ seiner Jugend. In seinen Erinnerungen beschreibt der spätere Bundestrainer, wie er selbst nach Jahrzehnten noch immer die technischen Kunststücke und Kombinationszüge der drei Karlsruher, Förderer, Fuchs und Hirsch, nachzeichnen konnte.
Seit 1955 pflegen Sepp Herberger und Gottfried Fuchs eine Brieffreundschaft. Als am 26. Mai 1972 das neue Münchner Olympiastadion mit einem Länderspiel gegen die Sowjetunion eingeweiht werden soll, schlägt Herberger dem DFB vor, Gottfried Fuchs als Ehrengast auf Verbandskosten nach München einzuladen. Dies würde, so Herberger, „als ein Versuch der Wiedergutmachung willfahrenen Unrechtes sicherlich nicht nur im Kreis der Fußballer und Sportler, sondern überall in Deutschland ein gutes Echo finden.“ Die Antwort des DFB-Präsidiums ist ernüchternd: Man sei der Ansicht, „dass ein Präzedenzfall geschaffen würde, der auch für die Zukunft noch erhebliche Belastungen mit sich bringen könnte.“ Herbergers Nachricht vom 22. März 1972, mit der er ihm tief enttäuscht die Absage des DFB-Präsidiums mitteilt, erreicht Gottfried Fuchs nicht mehr. Dieser war knapp einen Monat zuvor verstorben
Sein 1912 aufgestellter Tor-Weltrekord überlebt den ehemaligen Ausnahmestürmer um fast drei Jahrzehnte. Er wird erst 2001 gebrochen, als der Australier Archie Thompson beim 31:0 gegen Amerikanisch-Samoa 13 Treffer erzielt. Der Fußball und die Öffentlichkeit beginnen sich erst im neuen Jahrtausend wieder an Gottfried Fuchs zu erinnern. 2012, anlässlich der Verleihung des vom DFB 2005 stellvertretend für „alle, insbesondere die jüdischen Opfer des nationalsozialistischen Unrechtsstaates“ gestifteten Julius Hirsch Preises stehen mit Eric Fochs, Julian Heller und Andreas Hirsch drei Enkel der beiden einzigen jüdischen Nationalspieler gemeinsam auf der Bühne des Berliner „Bärensaals“. 2013 würdigt der Rat der Stadt Karlsruhe den Kaufmann und Fußballspieler durch die Einweihung des „Gottfried-Fuchs-Platzes“ in Sichtweite des ehemaligen KFV-„Stadions an der Telegraphenkaserne“.
Lorenz Peiffer
Weiterführende Literatur
Skrentny, W.: Gottfried Fuchs - Nationalspieler mit Torrekord. In: Schulze-Marmeling, D. (Hrsg.): Davidstern und Lederball. Die Geschichte der Juden im deutschen und internationalen Fußball. Göttingen 2003, 123-130.