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Helene Mayer

Fechterin

geboren am 20. Dezember 1910 in Offenbach am Main – gestorben am 15. Oktober 1953 in Heidelberg

  • sechsmal Deutsche Meisterin 1925–1930
  • Olympiasiegerin 1928, Silber bei den Olympischen Spielen 1936
  • Europameisterin 1929 und 1931
  • Erste Fecht-Weltmeisterin 1937
  • achtmal US-Meisterin 1934–1946

Helene Mayer ist die erste deutsche Weltklasse-Fechterin. Im Sommer 1925 erkämpft sich die erst 14-jährige Schülerin den Titel der Deutschen Meisterin im Florettfechten – eine Position, die sie fünf Jahre lang mühelos verteidigen wird. Helene Mayer imponiert nicht nur mit ihren sportlichen Leistungen, sondern auch wegen ihrer imposanten Statur und faszinierenden Ausstrahlung. Schon von weitem erkennt sie das Publikum der Fechtwettbewerbe, wenn sie die Sportstätte betritt: hochgewachsen, in weißem Fechtkostüm, das Haar zu blonden Schnecken gesteckt und von einem weißen Stirnband umrahmt. 

Ihren größten sportlichen Triumph feiert sie mit dem Gewinn der Goldmedaille bei den Olympischen Spielen in Amsterdam 1928. Die „blonde He“ wird über Nacht zum gefeierten Star und zum begehrten Motiv von Fotografen. Erst die jüdische Central-Vereins-Zeitung macht publik, dass die als teutonisches Ideal gefeierte Fechterin Tochter eines jüdischen Arztes ist. Weder Helene Mayer noch ihrer Familie gefällt diese Vereinnahmung von verschiedenen Seiten.

Ab 1929 studiert die areligiöse und ganz auf ihren Sport konzentrierte Helene Mayer Internationales Recht in Frankfurt am Main, dann an der Sorbonne in Paris und anschließend mit einem deutschen Stipendium in Kalifornien. Sie möchte sich damit für den Eintritt in das diplomatische Korps qualifizieren. 

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten erlebt Mayer nur aus der Ferne. Sportlich und finanziell bekommt sie die Folgen jedoch unmittelbar zu spüren. Als „Halbjüdin“ wird ihr 1933 das Stipendium entzogen und ihr Offenbacher Fechtclub streicht sie sang- und klanglos aus der Mitgliederliste. Aufgrund ihrer Prominenz erhält sie in den USA bis zum Abschluss ihres Examens 1934 finanzielle Unterstützung. Außerdem bekommt sie das Angebot, im renommierten Mills College für Frauen in Oakland als Lehrerin für deutsche Sprache und Fechten zu arbeiten.

Um seine vermeintliche Toleranz zu verdeutlichen, befürwortet das NS-Regime Mayers Teilnahme an den Olympischen Spielen 1936. Sie sieht dies als Chance und Herausforderung, die sie als Sportlerin unbedingt wahrnehmen möchte. Mit ihrer Zusage wird den Befürwortern eines Boykotts ein wichtiges Argument genommen, denn mit Helene Mayer scheint nun eine Jüdin Teil des deutschen Teams zu sein. Sich selbst sieht Mayer allerdings in keiner Weise als Jüdin. Ihr sind diese Rolle und vor allem die kontroverse Berichterstattung in der Presse über ihre Person höchst unangenehm. Bei den olympischen Fechtwettkämpfen in Berlin gewinnt Helene Mayer die Silbermedaille. Denkbar knapp verfehlt sie den Sieg in einem dramatischen Match gegen Ilona Schacherer-Elek.

1937 siedelt Mayer dauerhaft in die USA über und erhält 1940 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. 1952 kehrt sie nach Deutschland zurück, doch ihr privates Glück ist nur von kurzer Dauer. Bald nach der Heirat mit Baron Erwin Falkner von Sonnenburg erliegt die erst 42-Jährige im Oktober 1953 einem Krebsleiden.

Als die Bundespost 1968 olympische Sonderbriefmarken herausgibt, wird Helene Mayer als einzige Frau in der Reihe berühmter Sportler und Funktionäre berücksichtigt. Im Norden Münchens gibt es seit 1972 einen Helene-Mayer-Ring. Er begrenzt in östlicher Richtung das zu Beginn der 1970er Jahre errichtete Olympische Dorf. Auch in den USA ist das Gedenken an sie lebendig – im Mills College ist ein Stipendium nach ihr benannt.

Berno Bahro

 

Weiterführende Literatur

Braun, Jutta: Helene Mayer. Eine jüdische Sportlerin in Deutschland, in: Bauer, Theresia/ Kraus, Elisabeth u.a. (Hg.): Gesichter der Zeitgeschichte. Deutsche Lebensläufe im 20. Jahrhundert, München 2009, S. 85–102.

Kluge, Volker: Die „Neue Frau“ und der Mythos Helene Mayer, in: Sonderheft 2011 der Internationalen Motivgruppen Olympiaden und Sport e. V. (IMOS) zum Jahreskongress in Frankfurt/Main, S. 74–87.